Fellow (ehemalig)

Prof. Dr. José Brunner

Professor am Cohn Institut für Wissenschaftsphilosophie und -geschichte sowie an der Buchmann Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Tel Aviv.

Forschungsprojekt:
Gegenwärtig schließt Brunner die Arbeit an einer Monographie ab, die unter dem Titel Geschichte als Kriminalroman beim Wallstein Verlag erscheinen wird, und die sich mit Debatten zur Ethik und Methodik der Holocausthistoriographie auseinandersetzt wie auch den Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Problemen eines Dialogs zwischen Historikern und Psychologen, im Versuch, den Holocaust zu verstehen.

Forschungsvorhaben:
Walter Benjamin postuliert eine Historiographie, die die Geschichte gegen den Strich bürstet indem sie nicht nur ein wahres Bild von der Vergangenheit schafft, sondern auch eines, das die Gegenwart in einem kritischen Licht beleuchtet. Wie lässt sich dieses doppelte, epistemische und ethische, Postulat zur Geschichtsschreibung in Bezug auf den Holocaust verwirklichen, der oft als ein Absolutes verstanden wird, an dem herkömmliche ethische und epistemische Perspektiven geprüft und häufig auch für unzulänglich befunden werden? In keinem anderen Bereich der Geschichtsschreibung werden ethische Argumente so stark gegen epistemische Positionen ins Feld geführt, dient moralische Empörung so oft zur Ablehnung von narrativen Ansätzen. Gibt es also moralische Normen in der Holocaustgeschichtsschreibung, die Historiker zu gewissen Forschungs- Erzählungs- und Erklärungsformen verpflichten und ihnen andere verwehren?
Brunner untersucht diese Frage in Bezug auf den schwierigen Dialog zwischen Historikern und Psychologen, in dem es darum geht, wie man erklären und darzustellen kann, warum gewisse Menschen zu Massenmördern wurden und andere zu deren Opfer, was das Tatmotiv war, was Zeugen wussten, warum sie Opfern halfen oder zu Komplizen der Täter wurden, und ob und was aus der Geschichte dieses Verbrechens gelernt werden kann.
Im Versuch, die Möglichkeiten eines die Holocaust-Historiographie bereichernden Dialogs zwischen Geschichte und Psychologie auszuloten, prüft Brunner die ethischen und epistemischen Verpflichtungen, Probleme und Schranken, die ihn bisher gekennzeichnet haben. Zudem formuliert er einen eigenen Standpunkt, der ihm zur Evaluierung von verschiedenen Erklär- und Erzählformen zum Holocaust dient wie auch zu einem Vorschlag für einen ergiebigen Austausch zwischen Historikern und Psychologen.

Veranstaltungen:
Paper Presentation
Geschichte als Kriminalroman: Gibt es Normen der Holocaustgeschichtsschreibung und was haben Psychologen mit ihnen zu tun?


Forschungsprojekt:
A Narrative Turn in Human Rights Discourse? Victims and Perpetrators between Truth Commissions and the Right to the Truth

Forschungsvorhaben:
“The ‘right to the truth’ emerged in international humanitarian law at the same time as truth commissions gained popularity as part of transitional justice. Like truth commissions, the ‘right to the truth’ constituted a response to gross human rights violations in Latin America, especially to the enforced disappearance of political opponents in Chile and Argentina. Like truth commissions, the right to truth was to serve regime the transition to democracy, but unlike truth commissions, it was designed to fight the impunity of perpetrators involved in mass atrocities. This project analyzes these two developments – the establishment of truth commissions and the articulation of a right to the truth in international humanitarian law – in order to show that they add up to a narrative turn in the legal and quasi-legal discourse on gross human rights violations that characterized the last third of the 20th century.” (José Brunner)

Veranstaltungen:
Paper Presentation, 1. Juli 2015, 16 Uhr
Das Recht auf Wahrheit: Geschichte und Psychologie eines neuen Menschenrechtes

  • Biografische Angaben

    José Brunner ist Professor am Institut für Wissenschaftsphilosophie und -geschichte sowie an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tel Aviv. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem das Verhältnis von Recht, Gedächtnis und Identität, die Politik und Geschichte der Psychoanalyse, die Politik des Traumadiskurses und Praktiken der Wiedergutmachung am Beispiel von Holocaustüberlebenden. Er hatte Aufenthalte als Gastforscher und Gastprofessor an zahlreichen Universitäten, darunter in Harvard und Montreal. Von 2005 bis 2013 war er Direktor des Minerva Instituts für deutsche Geschichte. Gegenwärtig  leitet er das interdisziplinäre Forschungsprogramm für Rechts- und Humanwissenschaften sowie das Eva & Marc Besen Institute for the Study of Historical Consciousness. José Brunner ist Mitbegründer der ersten »legal clinic« für die Rechte von Holocaustüberlebenden in Israel.

  • Publikationen

    Recht auf Wahrheit. Genese eines neuen Menschenrechts (hrsg. mit Daniel Stahl), Wallstein, Göttingen 2016.
    Die Politik des Traumas. Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/Palästina-Konflikt, Suhrkamp, Berlin 2014.
    Die Globalisierung der Wiedergutmachung. Politik, Moral, Moralpolitik (hrsg. mit Constantin Goschler und Norbert Frei), Wallstein, Göttingen 2013.
    Die Praxis der Wiedergutmachung: Geschichte, Erfahrung und Wirkung in Deutschland und Israel (hrsg. mit Norbert Frei und Constantin Goschler), Wallstein, Göttingen 2009.
    Psyche und Macht: Freud politisch lesen, Klett-Cotta, Stuttgart 2001.

Aktuelles aus dem Forschungszentrum

Veranstaltung
14.07.2025 | Frankfurt

Utopie und Aufbruch der 1968er – Was von politischer Rebellion und individueller Selbstbefreiung geblieben ist

Podiumsdiskussion

Die Diskussionsrunde mit Rainer Langhans, Christa Ritter, die seit 1978 zur Selbsterfahrungsgruppe um Langhans gehört, und dem Sozialphilosophen Martin Saar widmet sich utopischen Vorstellungen, die von der 1968er Bewegung ausgingen, und beleuchtet deren Ideale, Impulse, individuelle und gesellschaftspolitische Nachwirkungen.

weitere Infos ›
Veranstaltung
10.07.2025 | Frankfurt am Main

Territorial Justice by Lea Ypi

Workshop

Workshop on the new book by Lea Ypi (LSE). With, among others: Andrea Sangiovanni and Ayelet Shachar.

weitere Infos ›
Veranstaltung
08.07.2025 | Frankfurt am Main

Ein anderer Blick: Die Relevanz von Betroffenenperspektiven auf Polizei und Rassismus

Ringvorlesungen

Vortrag von Leonie Fuchs (NaDiRa / DeZIM-Institut) über empirische Erkenntnisse der Betroffenenperspektiven von Rassismus in der Polizei. Teil der Ringvorlesung „Rassismus in der Polizei“.

weitere Infos ›
Veranstaltung
01.07.2025 | Brüssel

Europa in einer multipolaren Welt – Wie kann die EU den Herausforderungen gegenüber Großmächten begegnen?

Crisis Talk

Impuls von Prof. Dr. Nicole Deitelhoff mit anschließender Podiumsdiskussion

weitere Infos ›
News
22.05.2025

Hat die deliberative Demokratie im Zeitalter von Oligarchen, Autokraten und Patriarchen eine Zukunft?

Am 3. Juni hält Prof. Simone Chambers einen Vortrag zum Wert von Demokratien und der Zukunft der Staatsform.

weitere Infos ›
News
19.05.2025

Was kann eine barocke Tapisserie über koloniale Ikonographie erzählen?

Vortrag von Cécile Fromone am 21. Mai. Die Professorin am Department of the History of Art and Architecture der Harvard University sowie Direktorin der Cooper Gallery am Hutchins Center und Autorin wird über lange vergessene afrikanische Ursprünge der Ikonographie und deren koloniale Dimension referieren.

weitere Infos ›
News
05.05.2025

Normative Orders Newsletter 01/25 erschienen

Der Newsletter aus dem Forschungszentrum Normative Ordnungen versammelt mehrmals im Jahr Informationen über aktuelle Veranstaltungen, Berichte, Neuigkeiten und Veröffentlichungen. Lesen Sie hier die erste Ausgabe 2025.

weitere Infos ›
News
05.05.2025

„Hitler. Geschichte eines Diktators“ von Sybille Steinbacher erscheint am 15. Mai 2025

Das Buch neue der Historikerin befasst sich mit Hitlers Herkunft, den Wurzeln seines Antisemitismus sowie seinem Aufstieg.

weitere Infos ›
News
29.04.2025

Öffentliche Ringvorlesung „Rassismus in der Polizei“ beginnt am 13. Mai 2025

Rassismus in der Polizei hat verschiedene Dimensionen. In der Ringvorlesung „Rassismus in der Polizei – Empirische Befunde, methodische Herangehensweisen und Kontroversen“ werden drei empirische Studien zur Polizeiarbeit vorgestellt.

weitere Infos ›