30.07.2025

Was bleibt von „1968“? – Veranstaltungsrückblick

Die 68er-Bewegung propagierte eine freiere, gerechtere Gesellschaft – sie wollte autoritäre Strukturen, überkommene Normen und die Verdrängung der NS-Vergangenheit in Deutschland überwinden und neue Formen des Lebens, der Liebe und des Denkens entwickeln. In neu entstandenen Gemeinschaften wie beispielsweise der „Kommune I“ wurde materieller Besitz hinterfragt, emotionale Offenheit gelebt und Zusammenleben neu gedacht. Doch was ist von diesem Streben nach persönlicher Befreiung und gesellschaftlicher Veränderung übrig geblieben? Was können wir aus der 68er-Bewegung für unsere eigene Zeit lernen und wo braucht es vielleicht neue Ideen und Utopien?

Diesen Fragen widmete sich die Veranstaltung „Utopie und Aufbruch der 1968er – Was von politischer Rebellion und individueller Selbstbefreiung geblieben ist“ am 14. Juli 2025 im Historischen Museum, die von Rebecca C. Schmidt moderiert wurde. Über 200 Besucher*innen wollten im gut gefüllten Leopold-Sonnemann-Saal die Antwortversuche von Rainer Langhans, Christa Ritter und Martin Saar hören, die von Doreen Mölders (Direktorin des Historischen Museums) freudig begrüßt wurden. Für Rainer Langhans, ehemaliges Mitglied der „Kommune I“, war das Jahr 1968 vor allem eine nicht wirklich fassbare, kollektive Erfahrung allumfassender Liebe, die man sich erst im Nachhinein rational erklärbar machen und durch „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ oder politische Revolutionsbestrebungen nochmal erreichen wollte. Die Filmemacherin Christa Ritter betonte insbesondere das Gefühl des Widerstands gegen die Elterngeneration und die feministische Literatur, die sie zur Zeit der 68er-Bewegung sehr geprägt hätten. Der Sozialphilosoph Martin Saar hingegen ergänzte diese Perspektiven auf 1968 um den Frankfurter Blick auf die damaligen Ereignisse, der die politisch geprägten Absichten und die Möglichkeitsräume für gesellschaftliche Veränderung in den Vordergrund rückte.

Im weiteren Verlauf der Diskussionsrunde ging es um die Konflikte und Widersprüche innerhalb der 68er-Bewegung, Christa Ritter und Rainer Langhans berichteten außerdem von ihrem Versuch der Fortsetzung des 68er-Gefühls über den Weg der Spiritualität und ihr Zusammenleben im Münchner „Harem“. Die Frage, was wir von 1968 für die Gegenwart noch mitnehmen können, beantworteten die Diskutant*innen wieder unterschiedlich: Während Rainer Langhans betonte, dass wir den Weg fort von unseren materiellen Bedürfnissen weitergehen und deswegen auch sterben lernen müssten, sah Martin Saar die Fortführung des Nonkonformismus und des Widerstands gegen die autoritäre, bürgerlich-patriarchale Gesellschaft heutzutage vor allem in der jungen queeren Bewegung.

Aktuelles aus dem Forschungszentrum

Veranstaltung
06./07.11.2025 | Frankfurt am Main

Kolja Möller - Volk und Elite

Workshop

Workshop zum "Buch Volk und Elite - Eine Gesellschaftstheorie des Populismus" von Kolja Möller

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Veranstaltung
31.10.2025/01.11.2025 | Frankfurt am Main

Strafrecht und Kriminalpolitik in den Polykrisen der digitalen Welt

Symposium

Unter der Überschrift „Strafrecht und Kriminalpolitik in den Polykrisen der digitalen Welt“ sollen auf dem XII. Deutsch-Griechischen Strafrechtssymposion die heterogenen Herausforderungen diskutiert werden, mit denen sich das Strafrechtssystem in Zeiten sich häufender und interdependenter Krisen (Klima, Migration) konfrontiert sieht.

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Publikation
01.10.2025 | Lexikoneintrag

Moralisieren

Schmelzle, Cord (2025): „Moralisieren“. In: Pollmann, Anna; Möllmann, Christopher: Schlüsselbegriffe gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ein kritisches Vokabular, Wallstein, S. 544–561.

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Publikation
01.10.2025 | Sammelband

Dis.Ordering Distribution. Infrastructures, Formats and Practices in the Circulation of Culture.

Storz, Cornelia; Hediger, Vinzenz; Krings, Matthias (eds.) (2025): Dis.Ordering Distribution. Infrastructures, Formats and Practices in the Circulation of Culture. Emerald Publishing.

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Veranstaltung
03.11.2025 | Offenbach

Ich kann, also bin ich? Eine Kritik ableistischer Diskriminierung in unserer Gesellschaft

Vortrag

Der Vortrag von Dr. Regina Schidel im Rahmen der Goethe Lectures Offenbach analysiert Ableismus aus philosophischer und sozialtheoretischer Perspektive, und zwar exemplarisch am Fall von Menschen mit kognitiven Einschränkungen/geistiger »Behinderung«. Es werden Ursprünge ableistischen Denkens in der philosophischen Tradition entwickelt, in ihrer gesellschaftlichen Funktionalität untersucht und Möglichkeiten befragt, diese zu überwinden – diese stammen etwa aus kritischer und feministischer Theoriebildung.

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News
01.10.2025

Neuer Forschungsverbund „DemoReg“ nimmt Arbeit auf

Hessen investiert rund 3,1 Millionen Euro in den Ausbau der Demokratieforschung. Mit dem neuen Forschungsverbund „DemoReg“ entwickelt Hessen ein starkes, deutschlandweit besonderes Profil in der Demokratieforschung mit nationaler und internationaler Sichtbarkeit. Das Forschungszentrum Normative Ordnungen ist personell beteiligt.

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News
30.09.2025

„Zeitenwenden. Normative Ordnungen im Umbruch?“

Das Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität Frankfurt am Main erhält für sein neues Forschungsprogramm „Zeitenwenden. Normative Ordnungen im Umbruch?“ eine großzügige Förderung durch den Stiftungsfonds Commerzbank im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Insgesamt stehen über eine Laufzeit von fünf Jahren Fördermittel in Höhe von 750.000 Euro zur Verfügung.

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Publikation
30.09.2025

Climate Finance, the Right to Promote Sustainable Development and Responsibility

Moellendorf, Darrel (2025): „Climate Finance, the Right to Promote Sustainable Development and Responsibility“. In: Berger, Axel; Brandi, Clara; Kollar, Eszter (eds.): Justice in Global Economic Governance. Normative and Empirical Perspectives on Promoting Fairer Globalisation, Edinburgh University Press, p. 125–133.

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Publikation
29.09.2025 | Zeitschriftenartikel

Im Visier der Autokraten: Vom Wert der Wissenschaftsfreiheit

Forst, Rainer; Tockner, Klement: Im Visier der Autokraten: Vom Wert der Wissenschaftsfreiheit. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. 10/2025, S. 109-117.

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