Goethe Lecture Offenbach zu ableistischer Diskriminierung
Regina Schidel hat im Rahmen der Goethe Lectures Offenbach eine Kritik ableistischer Diskriminierung unserer Gesellschaft präsentiert.
Zur Eröffnung der langjährigen gemeinsamen Vortragsreihe des Klingspor-Museums, der Wirtschaftsförderung der Stadt Offenbach sowie dem Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität präsentierte Dorothee Ader, Direktorin des Klingspor Museums, ganz nach Veranstaltungstradition, einen vortragsbezogenen Gegenstand aus dem Ausstellungsfundus des Museums. In diesem Fall eine Erweiterung der Braille-Schrift, welche die Designerin Anna Weinzettl konzipiert hat. Die erweiterte Blindenvollschrift ermöglicht unter anderem, dass blinde und nicht-blinde Menschen gemeinsam und zeitgleich Lesen können.



Im Kontrast dazu begann Regina Schidel ihren Vortrag mit dem Rekurs auf verschiedene Gewalttaten gegenüber behinderten Menschen in den vergangenen Jahren. In ihrer Vortrag „Kritik ableistischer Diskriminierung unserer Gesellschaft“ dekonstruiert Schidel diese Taten, ihre öffentliche Reaktion und wiederkehrende Narrative eines ableistischen Denkens. Ableismus, das sind Netzwerke und Praktiken, die sich auf eine bestimmte Gruppe, als „behindert“ verstandene Menschen, beziehen. Anhand dieser Einordnung werden Menschen ausgegrenzt und abgewertet. Im Anschluss an die Diskussion praktischer Gewalt beleuchtete Schidel die philosophischen Herkünfte von Ableismus. Dabei setzte sie bewusst einige Schlaglichter, nicht um eine Kontinuitätsgeschichte nahezulegen, sondern um aufzuzeigen, dass „Formationen unseres Denkens von ableistischen Motiven durchsetzt sind“. Besonders im Fokus standen in diesem Vortrag utilitaristische und tierethische Theorien, u. a. von Peter Singer, und in diesen gesetzte Vergleiche mit und Verständnisse von Menschen mit Behinderungen.
Gegenpunkte und andere Vorstellungen von „Behinderung“ findet Schidel unter anderem Wolfgang Jansen, bei der Frankfurter Schule und deren Perspektiven auf menschliches Leid sowie bei feministischen Philosophien und dem dort angelegten relationalen Verständnis sozialer Beziehungen.
Regina Schidel ist akademische Rätin am Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität. Sie wurde 2022 mit der Arbeit „Relationalität der Menschenwürde“ promoviert, in der sie den Status von Menschen mit konkurrierenden Beeinträchtigungen gerechtigkeitstheoretisch untersucht. Die Arbeit wurde mit dem WISAG Preis 2024 für die beste geistes- und sozialwissenschaftliche Dissertation ausgezeichnet. Ihr Buch „»Behinderung« und Gesellschaft. Ableismus in philosophischer und sozialtheoretischer Perspektive“ erscheint im Dezember bei Suhrkamp.



