Gemeinschaften unter Verdacht – Haben proaktive Sicherheitspolitik und Extremismusprävention nicht-intendierte rassistische Nebeneffekte?

Zielsetzung/Fragestellung
Die repressive Bekämpfung, aber auch gerade die Prävention von Radikalisierung und Extremismus können zu nicht-intendierten rassistischen Effekten führen und dazu beitragen, dass sich in der Gesellschaft Stereotype bilden oder verfestigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie sich auf Minderheiten fokussieren oder wenn generalisierende Charakteristika wie Ethnizität, Sprache, Erscheinungsbild, Religion usw. als ‚Marker‘ für die Identifikation extremistischer Personen bzw. für die Zielgruppenbeschreibung der Präventionsarbeit genutzt und medial verstärkt werden. In der Forschungsliteratur wird dieser Effekt als die Konstruktion von suspect communities (Verdachtsgemeinschaften) beschrieben. Eine Folge kann sein, dass Menschen, die sich unter Generalverdacht gestellt fühlen, sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen oder erst recht mit bereits radikalisierten Gruppen solidarisieren. Solche Mechanismen sind vor allem in Großbritannien identifiziert worden. In den 1970 und 1980er Jahren waren es die Ir:innen, die im Zuge der Prevention of Terrorism Acts stigmatisiert wurden; nach den Anschlägen von 2005 war es die muslimische Community, die aufgrund der britischen Anti-Terrorismus-Strategie Prevent zunehmend kollektiv unter Extremismusverdacht geriet.

„Verdachtsgemeinschaften“ auch in Deutschland?
Das Teilprojekt untersucht daher, ob es auch in Deutschland im Zuge der sogenannten Islamismusprävention zur Konstruktion von „Verdachtsgemeinschaften“ kommt. Wenn ja, ist die Frage, wie genau die Mechanismen verlaufen und sich der Prozess verhindern lässt. Wenn nein, ist die Frage, wie in Deutschland die Bildung von Verdachtsgemeinschaften verhindert werden konnte und welche Lehren daraus für die Vermeidung rassistischer Effekte auch in anderen Institutionen gezogen werden können. Untersucht werden staatliche und nicht-staatliche Institutionen der Extremismusprävention und die Wirkung ihrer Arbeit auf muslimische bzw. als muslimisch gelesene Personen. Dabei sollen auf der einen Seite die Präventionsmaßnahmen und -praktiken anhand von Strategiepapieren sowie von Interviews mit (staatlichen und zivilgesellschaftlichen) Akteur:innen der Präventionsarbeit analysiert werden. Auf der anderen Seite sollen die Erfahrungen und Wahrnehmungen der betroffenen Gruppen selbst anhand von Fokusgruppengesprächen untersucht und sichtbar gemacht werden.

Das Teilprojekt trägt zum Gesamtvorhaben bei, indem es Erkenntnisse darüber liefert, wie durch Institutionen nicht-intendierte rassistische Effekte entstehen können und wie sie sich verhindern lassen. Am Ende soll eine Handreichung für die Praxis stehen, die auf der Grundlage von best practices Empfehlungen für eine rassismussensible Extremismus- und Radikalisierungsprävention enthält.

Projektleiter: Prof. Dr. Christopher Daase | daase@normativeorders.net

Projektmitarbeiter:innen:
Dr. Hande Abay Gaspar
Lea Deborah Scheu

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