Pluralitätskulturen im modernen Südasien

Dr. Thomas K. Gugler

Laufzeit des Forschungsprojekts 12/2017 – 10/2021

Der südasiatische Raum ist eine der ärmsten, religiösesten und konfliktträchtigsten Regionen der Welt. Mit islamischen, buddhistischen und mehrheitlich vom Hinduismus geprägten Staaten ist Südasien wie keine andere Region geeignet, einen religionsübergreifenden Erkenntnisgewinn im Hinblick auf Pluralitätsstrategien unterschiedlicher religiöser Akteure zu generieren. Nach den Teilungswirren 1947 haben sich im islamischen Sezessionsstaat Pakistan und der ungleich größeren demokratischen Referenzgesellschaft Indien unterschiedliche politische und verfassungsrechtliche Zugänge und Rahmenbedingungen zu den Themenkomplexen Ethnifikation, Religionsdiversität und Vielfaltsfreude herausgebildet, die auch unter den Bedingungen eher demokratisch bzw. autoritär geprägter Regierungsstile zu unterschiedlichen Entwicklungen führten. Indien wird in länderübergreifenden religionssoziologischen Studien mit der höchsten gemessenen Gebetshäufigkeit nicht nur als ein Land der Hochreligiösen erfasst, sondern auch als das Land mit der höchsten Ausprägung an religiösem Pluralismus.

Im Kunststaat Pakistan wurde der indische Islam nationalisiert. Die nationalstaatliche Implementierung des Islam war ein Symbol für das politische Projekt der Einigung auch der sprachlich und kulturell sehr unterschiedlichen, 2500 km auseinanderliegenden beiden Landesteile im Osten und Westen. Bereits 1953 – mit dem Munir-Report als Folge auf die Massenausschreitungen gegen Ahmadis – widmete sich der pakistanische Staat dem Projekt, zu definieren, wer ein Muslim sei und wer nicht. Nach dem traumatischen Verlust Ostpakistans im Unabhängigkeitskrieg 1971 wuchs im Rest- und Rumpfstaat Westpakistan der politische Bedarf und das psychologische Bedürfnis nach einem starken Islam dramatisch an. 1974 wurden zahlreiche Gesetze gegen die muslimische Ahmadi-Minderheit verabschiedet, die tiefgreifende Diskriminierung legalisierten. Dies bestärkte eine sektiererische Fragmentierung der pakistanischen Gesellschaft.
Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, die unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken diverser religiöser communities nach 1947 länderübergreifend vergleichend deskriptiv darzustellen und damit systematisch praktische Auswirkungen nationalstaatlicher Religionspolitik analytisch zu erfassen. Im Fokus stand dabei der Umgang mit religiöser und sexueller Diversität.

Das Forschungsprojekt kooperierte mit dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der WWU Münster.

Ausgewählte Publikationen zum Projekt

Gugler, Thomas K. (2015): “Barelwis: Developments and Dynamics of Conflict with Deobandis”, in: Lloyd Ridgeon (Ed.): Sufis and Salafis in the Contemporary Age. London: Bloomsbury, pp. 171-189.

Gugler, Thomas K. (2014): „Okzidentale Homonormativität und nichtwestliche Kulturen“, in: Florian Mildenberger, Jennifer Evans, Rüdiger Lautmann u. Jakob Pastötter (Hgg.): Was ist Homosexualität? Forschungsgeschichte, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven. Hamburg: Männerschwarm, S. 141-179.

Gugler, Thomas K. (2011): Mission Medina: Daʿwat-e Islāmī und Tablīġī Ǧamāʿat. I.d.R.: Kultur, Recht und Politik in muslimischen Gesellschaften. Bd. 18. Würzburg: Ergon.

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