Die Krise der Demokratietheorie aus soziologischer Perspektive
Am 26. November 2025 eröffnete Jenny Brichzin die Ringvorlesung „Am Scheidepunkt? Zur Zukunft der Demokratietheorie“. In ihrem Vortrag „Krise der Demokratietheorie? Eine soziologische Intervention“ diagnostizierte die Soziologin zuerst das Fehlen von Konzepten des Zusammenlebens in demokratietheoretischen Arbeiten. Demokratie präge aber gesellschaftliche Ordnung und brauche deshalb eine gesellschaftstheoretische Fundierung. Wenn die Krisendiagnosen der Demokratie unter diesem Gesichtspunkt analysiert werden, werden sowohl normative als auch institutionell-praktische Perspektiven auf die Krise(n) deutlich.



Beispielhaft thematisierte Brichzin die attische Demokratie, wobei insbesondere deren Vorbedingungen in der gesellschaftlichen Organisation – die Entwicklung einer demokratischen Form habe hier auf Basis vielfältiger Voraussetzungen stattgefunden – sowie deren auf Offenheit gerichtete institutionelle Aufstellung im Fokus lagen.



Offenheit wird dabei für die Soziologin zu einer zentralen Kategorie für eine Demokratietheorie, die Gesellschaftliches einbezieht. Dabei steht eine institutionelle Offenheit im Vordergrund, bei der politische Institutionen nicht per se als gesetzt gelten dürften. Keine der gegenwärtigen demokratischen Institutionen stelle für sich genommen den Fortbestand der Demokratie sicher. Die Offenheit solche Institutionen umzubauen, richte sich gegen Vermachtungen sozialer Strukturen und Formen von sozialer Schließung. Ein solcher Prozess sei zwar enorm voraussetzungsvoll, aber notwendig, weshalb die Soziologin mit der Analyse ein Plädoyer für Kreativität in Bezug auf institutionelle Fragen endet.
Jenny Brichzin ist Soziologin. Derzeit vertritt sie die Professur für Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie an der Universität der Bundeswehr München. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Chemnitz und Leipzig tätig. Ihre Promotion „Politische Arbeit in Parlamenten. Eine ethnografische Studie zum politischen Feld“ erschien 2016 bei Nomos. 2022 veröffentlichte sie gemeinsam mit den Soziologen Henning Laux und Ulf Bohmann das Buch „Risikodemokratie. Chemnitz zwischen rechtsradikalem Brennpunkt und europäischer Kulturhauptstadt“.