Clusterprojekt

ConTrust – Vertrauen im Konflikt

Als gemeinsame Forschungsinitiative der Goethe-Universität und der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung Frankfurt steht ConTrust im Kontrast zu vorherrschenden Tendenzen der einschlägigen Forschung. Erstens versteht sie Vertrauen nicht als Gegenbegriff zu dem des Konflikts, sondern geht davon aus, dass sich Vertrauen erst im Konflikt zeigt, bildet und bewährt: Vertrauen im und durch Konflikt. Zweitens sucht die Forschungsinitiative konventionelle disziplinäre Grenzen der Erforschung von Vertrauen und Konflikt methodisch ebenso zu überschreiten wie die Kluft zwischen empirischen und normativen Analysen. Drittens stellt die Forschung der Initiative die „Vertrauensfrage“ in einen Rahmen, der nach neuen Qualitäten der Ungewissheit (und Verunsicherung) fragt, die nicht erst in der Corona-Pandemie (aber besonders dort) sichtbar wurden. Dazu gehört auch die Reflexion auf die sich wandelnden Medien, in denen Vertrauen und Misstrauen kommuniziert und konstituiert und Konflikte repräsentiert werden. Viertens wird deutlich gemacht, dass der Begriff des Vertrauens anders als in den meisten alternativen Ansätzen nicht durchweg positiv zu bewerten ist, sondern es auch autoritäre Formen des Vertrauens geben kann, die freiheitsverneinend und politisch destruktiv sind. Schließlich zielt das Vorhaben auf praktische Schlussfolgerungen in Bezug auf die Möglichkeiten ab, Konflikte so zu gestalten, dass auf produktive Weise Vertrauen gebildet und stabilisiert werden kann. In diesem Sinne ist der Dialog mit der Gesellschaft integraler Teil unserer Forschung.

Konflikte sind in gesellschaftlichen Kontexten unumgänglich, und dennoch machen sie ein Zusammenleben nicht unmöglich. Aber woher nehmen wir die Gewissheit, dass Auseinandersetzungen nicht eskalieren, dass sich das jeweilige Gegenüber an Regeln hält, dass Institutionen uns gegen Überschreitungen absichern und die soziale Welt als ganze so stabil ist, dass wir unser Handeln in ihr sinnvoll orientieren können? Die Antwort ist Vertrauen. Vertrauen erzeugt eine „ungesicherte Sicherheit“, die niemals vollständig eingelöst werden kann und dennoch das Geheimnis gesellschaftlichen Zusammenlebens ausmacht. Doch wie bildet sich Vertrauen, was sind seine Ursprünge?


Diese Annahmen und Absichten strukturieren die gemeinsame, interdisziplinäre, empirische wie auch normative Erforschung von Vertrauensdynamiken in zentralen Konfliktkontexten, die von demokratischen Strukturen über internationale Politik und Märkte bis hin zu Wissensdiskursen und Medien reichen.


Die Forschenden wollen eine Diagnostik der Dynamik von Vertrauen und Misstrauen in typischen Konfliktkonstellationen entwickeln und für den Aufbau eines internationalen Zentrums für Vertrauens- und Konfliktforschung nutzen. Zentrale Maßnahmen, um dies zu erreichen, sind die gezielte Anwerbung und Förderung von herausragenden Junior- und Mid-Career-Level-Forscher*innen, um die vorhandene Expertise zu ergänzen und zu stärken. Darüber hinaus ist struktur- und profilbildend für die Forschung in Frankfurt die Berufung mehrerer Professuren am Standort vorgesehen.





Die Sprecher*innen von ConTrust sind:

Arbeitsgruppen

Arbeitsgruppe 1: Demokratie

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Frage, wie Demokratien Konflikte produktiv bearbeiten. Sie untersucht, wie demokratische Prozesse und Strukturen positive Wechselwirkungen von Vertrauen und Misstrauen in Konflikten ermöglichen. Ziel der gemeinsamen Forschung der Arbeitsgruppe ist es, Bestandteile einer spezifisch demokratischen Konzeption von Vertrauen im Konflikt zu identifizieren und negative oder pathologische Formen politischen Vertrauens davon zu unterscheiden.

Demokratie

Arbeitsgruppe 2: Zwang und Sanktion

In allen politischen Herrschaftsordnungen wird Zwang zur Bearbeitung von Konflikten angewendet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Arbeitsgruppe die Leitfrage, wie Zwang zur Produktion von Vertrauen oder Misstrauen in und durch Konflikte beiträgt. Untersucht wird, wie ausgewählte Formen von Zwang (rechtlich, militärisch etc.) auf positive wie negative Konflikterfahrungen zurückgehen, den Verlauf von Konflikten beeinflussen und so im Laufe der Zeit Vertrauen in und durch Konflikte hervorbringen.

Zwang und Sanktion

Arbeitsgruppe 3: Markt

Die Arbeitsgruppe analysiert das komplexe Verhältnis zwischen Vertrauen und ökonomischen Konfliktformen. Während Märkte allgemein als Garant für wirtschaftliches Vertrauen angesehen werden, werden die meisten Entscheidungen nicht im institutionellen Vakuum getroffen, sondern im Rahmen formeller und informeller Institutionen. Im Zentrum des empirischen Arbeitsprogramms der Gruppe stehen zwei Projekte, eines zur Frage, wie die COVID-19-Pandemie das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft neu ordnet, und eines zur Frage, wie Krisen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt verändern.

Markt

Arbeitsgruppe 4: Wissen

Die Arbeitsgruppe untersucht die Rolle von Wissen und wissensbasierten Institutionen (epistemischen Autoritäten) für die Entstehung von Vertrauen und Misstrauen in sozialen Konflikten. Wissen über die Präferenzen der anderen, aber auch über die soziale und natürliche Welt, ist eine wesentliche Ressource, um Konflikte produktiv zu bewältigen. Wo Wissen geteilt wird, entsteht und stabilisiert sich Vertrauen. Diese Stabilisierungsleistung hängt jedoch selbst von epistemischem Vertrauen ab, dessen genaue Form und Rolle durch die Forschung der Arbeitsgruppe erst noch zu bestimmen ist.

Wissen

Arbeitsgruppe 5: Medien

Die Arbeitsgruppe untersucht, wie Medien in pluralistischen Gesellschaften Vertrauen schaffen und dadurch die produktive Austragung von Konflikten ermöglichen sowie diese Prozesse zugleich reflektieren. Ausgehend vom Befund der zunehmenden Digitalisierung von Kommunikation, untersucht die Arbeitsgruppe die operationalen und formalen Aspekte von Massenmedien (Presse, TV), Film, Literatur, Telekommunikation und sozialen Medien sowie von Funktionsmedien in Recht, Wirtschaft und Politik in ihrer formellen und informellen Verwendung. Der methodische Ansatz der Arbeitsgruppe geht über inhalts-, text- und technikzentrierte Analysen hinaus und berücksichtigt ästhetische, juristische und ökonomische Faktoren.

Medien

Aktuelles aus dem Forschungszentrum

News
08.07.2025

Überlegungen zur Verteidigung der Demokratie – Zwei Krisen der Demokratie

Die Herausforderungen sind global, wir agieren aber immer noch national. Zudem fehlen uns die Begriffe, um uns politisch-normativ zu orientieren. Ein Beitrag von Rainer Forst in der FR über die zwei Krisen der Demokratie.

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News
30.06.2025

Artikel „Ideology and Suffering: What Is Realistic about Critical Theory?“ von Amadeus Ulrich im EJPT erschienen

Der Artikel „Ideology and Suffering: What Is Realistic about Critical Theory?“ von Amadeus Ulrich ist soeben Open Access im European Journal of Political Theory (EJPT) erschienen. Ulrich bringt darin die Perspektive des radikalen Realismus mit der kritischen Theorie Adornos in einen produktiven Dialog.

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News
30.06.2025

Prof. Dr. Franziska Fay mit dem Sibylle Kalkhof-Rose-Universitätspreis 2025 ausgezeichnet

Prof. Dr. Franziska Fay (Juniorprofessorin für Ethnologie mit dem Schwerpunkt Politische Anthropologie Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und ehemalige Postdoktorandin des Forschungszentrums Normative Ordnungen der Goethe-Universität) erhält den Sibylle Kalkhof-Rose-Universitätspreis 2025 in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften.

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Publikation
25.06.2025 | Onlineartikel

Ideology and Suffering: What Is Realistic about Critical Theory?

Ulrich, Amadeus (2025): Ideology and suffering: What is realistic about critical theory? European Journal of Political Theory, 0(0).  https://doi.org/10.1177/14748851251351782

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News
24.06.2025

Neue Reihe „Vertrauensfragen“ in der Frankfurter Rundschau initiiert von Hendrik Simon

Demokratie lebt vom Streit – wenn er der gemeinsamen Suche nach Lösungen dient. An diesem Miteinander hakt es oft. Die neue FR-Reihe „Vertrauensfragen“ untersucht, initiiert von Hendrik Simon (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) Standort Frankfurt am Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität), woran das liegt und wie wir es besser machen.

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Publikation
23.06.2025 | Working Paper

Untrustworthy Authorities and Complicit Bankers: Unraveling Monetary Distrust in Argentina

Moreno, Guadalupe (2025): “Untrustworthy Authorities and Complicit Bankers: Unraveling Monetary Distrust in Argentina”. Max Planck Institute for the Study of Societies Discussion Paper 25/3.

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News
22.05.2025

Hat die deliberative Demokratie im Zeitalter von Oligarchen, Autokraten und Patriarchen eine Zukunft?

Am 3. Juni hält Prof. Simone Chambers einen Vortrag zum Wert von Demokratien und der Zukunft der Staatsform.

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Publikation
19.05.2025 | Sammelband

Klimaethik. Ein Reader

Sparenborg, Lukas; Moellendorf, Darrel (Hrsg.) (2025) : Klimaethik. Ein Reader. Suhrkamp.

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News
19.05.2025

Was kann eine barocke Tapisserie über koloniale Ikonographie erzählen?

Vortrag von Cécile Fromone am 21. Mai. Die Professorin am Department of the History of Art and Architecture der Harvard University sowie Direktorin der Cooper Gallery am Hutchins Center und Autorin wird über lange vergessene afrikanische Ursprünge der Ikonographie und deren koloniale Dimension referieren.

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