21.11.2025

Freiwillig oder verpflichtend? Wehrdienst, Frieden und demokratische Verantwortung

Nachbericht zu den 58. Römerberggesprächen

Das Thema Wehrpflicht und die Frage, was ein demokratischer Staat von seinen Bürger*innen verlangen darf, standen im Zentrum der 58. Römerberggespräche „Bedingt einsatzbereit? Wehrdienst und die Pflicht zum Dienst am Staat“, die am 15. November in Kooperation mit dem Forschungszentrum Normative Ordnungen im Chagallsaal des Schauspiel Frankfurt stattfanden.

Bereits die Auftaktfrage der Moderatorinnen Cécile Schortmann und Hadija Haruna-Oelker – „Wie einsatzbereit sind Sie dem Staat gegenüber und in welcher Form?“ – machte deutlich, wie gegenwärtig das Thema ist.

Im Eröffnungsvortrag analysierte Ferdinand Weber (Universität Bremen), der für den erkrankten Udo di Fabio eingesprungen war, jedoch zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer „wehrhaften“ Demokratie. Er betonte, dass das Grundgesetz die Möglichkeit einer Wehrpflicht vorsieht, deren Wiedereinführung jedoch rechtliche und gesellschaftliche Hürden birge. Staatliche Schutzpflichten müssten stets mit individuellen Freiheitsrechten abgewogen werden, und die aktuelle Debatte zeige, wie flexibel und zugleich rechtsstaatlich gebunden die Demokratie auf Bedrohungslagen reagieren kann.

Wie die Frage nach der Wehrpflicht polarisieren kann, zeigte sich besonders in der anschließenden Diskussion zwischen Militärhistoriker Heiko Biehl, der die Wehrpflicht als legitime staatliche Option verteidigte, und Autor Ole Nymoen, der sie als Ausdruck generationeller Ungerechtigkeit kritisierte.

Einen historischen und normativen Blick lieferte hingegen Hendrik Simon (FGZ Frankfurt, Normative Orders). Er plädierte dafür, den Begriff des Friedens aus der Deutungshoheit populistischer Parteien zurückzuholen und ihn wieder in der demokratischen Mitte zu verankern. In einem Streifzug durch die Ideengeschichte des Pazifismus – von Kants Zum ewigen Frieden über Bertha von Suttners Kriegskritik bis zu den Friedensbewegungen der 1980er Jahre – zeigte Simon, dass Friedenspolitik stets ein zentrales Element demokratischer Selbstverständigung war und ist. Zugleich betonte er, dass Wehrdienst nur freiwillig geleistet werden könne, um demokratische Prinzipien der Selbstbestimmung nicht zu verletzen.

Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff (Universität Kassel) analysierte anschließend, wie die Bundeswehr ihre öffentliche Wahrnehmung über Bildstrategien zu steuern versucht. Plakate, Werbefilme, Imageformate und Kampagnen auf Gaming-Messen sollen das Militär als modernen, divers aufgestellten Arbeitgeber inszenieren – was zwar Interesse wecke, aber zugleich den militärischen Charakter des Berufs verharmlosen könne. Hornuff machte deutlich, dass sicherheitspolitische Debatten daher die Macht visueller Kommunikation stärker berücksichtigen müssten.

Barbara Mittelhammer, politische Analystin, setzte einen Gegenpunkt zu den stärker machtpolitisch geprägten Vorträgen. Sie plädierte für feministische Sicherheitspolitik, die Gewaltursachen und gesellschaftliche Verwundbarkeiten in den Blick nimmt und Sicherheit breiter definiere – etwa als Schutz vor geschlechterspezifischer Gewalt oder als Stärkung sozialer Stabilität. Damit eröffnete sie Perspektiven auch jenseits der Wehrpflicht, die thematisch im Zentrum des Tages stand.

Abschließend ergänzte Historiker Till van Rahden die Debatte um eine erneute historische Einordnung: Die Wehrpflicht sei historisch enger mit autoritären Regimen als mit demokratischen Traditionen verbunden. In einer modernen Demokratie sollten Menschen jedoch durch Argumente und Überzeugung zum Wehrdienst bewegt werden, nicht durch staatlichen Zwang – so sein Fazit.

Aktuelles aus dem Forschungszentrum

News
21.11.2025

Freiwillig oder verpflichtend? Wehrdienst, Frieden und demokratische Verantwortung

Nachbericht zu den 58. Römerberggesprächen. Das Thema Wehrpflicht und die Frage, was ein demokratischer Staat von seinen Bürgerinnen und Bürgern verlangen darf, standen im Zentrum der 58. Römerberggespräche "Bedingt einsatzbereit? Wehrdienst und die Pflicht zum Dienst am Staat", die am 15. November in Kooperation mit dem Forschungszentrum Normative Ordnungen im Chagallsaal des Schauspiel Frankfurt stattfanden.

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Publikation
21.11.2025 | Sammelband

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Felfe, Jörg; Dick, Rolf van (eds.) (2025): Handbook of Leadership. Applied Business Psychology for Managers. Springer.

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Regina Schidel hat im Rahmen der Goethe Lectures Offenbach eine Kritik ableistischer Diskriminierung präsentiert. In ihrem Vortrag „Ich kann, also bin ich?“ diskutierte sie praktische Ausprägungen und philosophische Herkünfte von Ableismus.

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Vortrag von David Owen (Universtiy of Southampton) im Rahmen der Ringvorlesung "Am Scheidepunkt? Zur Krise der Demokratie" im Wintersemester 2025/2026

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14.01.2026 | Frankfurt am Main

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Vortrag von Christine Hentschel (Universität Hamburg) im Rahmen der Ringvorlesung "Am Scheidepunkt? Zur Krise der Demokratie" im Wintersemester 2025/2026

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10.12.2025 | Frankfurt am Main

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Vortrag von Jonathan White (LSE) im Rahmen der Ringvorlesung "Am Scheidepunkt? Zur Krise der Demokratie" im Wintersemester 2025/2026

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Vortrag von Jenni Brichzin (Universität der Bundeswehr München) im Rahmen der Ringvorlesung "Am Scheidepunkt? Zur Krise der Demokratie" im Wintersemester 2025/2026

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