The Quest for a ‚New Deal‘: Opposition and the Global Political Order

Projektleiterin: Prof. Dr. Nicole Deitelhoff

Das Projekt beschäftigte sich mit der Frage, wie normative Ordnungen mit Kritik umgehen. Konkret ging es um Rolle und Funktion politischer Opposition im System globalen Regierens.
Das Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt, die Rolle von Opposition im Regieren jenseits des Staates auszuloten. Welche Möglichkeit haben oppositionelle Akteure, ihre Kritik in die Entscheidungsgremien  hineinzutragen? Wie reagieren diese umgekehrt auf Opposition?
Die Frage von Opposition hat bislang kaum eine Rolle in der Forschung zu Global Governance gespielt. Zum einen galt die Sphäre globalen Regierens als Regieren ohne Regierung, so dass schon begrifflich kaum Raum für eine Opposition im klassischen Sinne verbleibt. Darüber hinaus zehrt die Sphäre globalen Regierens nach wie vor von der Vorstellung einer rein horizontalen Koordination zwischen Nationalstaaten, die auf freiwilliger Zustimmung von Regeln und Institutionen beruht.
Das Projekt versuchte dagegen aufzuzeigen, dass diese Vorstellung obsolet geworden ist und sich das Regieren längst durch Supranationalisierung einerseits und Informalisierung andererseits auszeichnet, die die Vorstellung von freiwilligem Konsens  zunehmend aushöhlen. Unter diesen Voraussetzungen wird damit entscheidend, welche Möglichkeiten der Einflussnahme es für Opposition gibt und wie mit Opposition in einem System umgegangen wird und umgegangen werden kann, das kein einheitliches Entscheidungszentrum oder gar eine Regierung aufweist.

Um diese Fragen empirisch und normativ zu beantworten, wurden mehrere Fallstudien zu unterschiedlichen oppositionellen Akteuren erarbeitet, die sich an internationale Institutionen richten. Dabei ging es zum einen darum, zu ergründen, wie diese oppositionellen Akteure ihre eigene Rolle verstehen und welche Ziele sie haben, zum anderen darum, die Reaktionen von Institutionen auf diese Opposition zu untersuchen. Öffnen sich Institutionen der Kritik oder ignorieren sie diese? Gibt es Unterschiede im Umgang mit unterschiedlichen oppositionellen Akteuren und woran könnte das liegen?
Forschungsleitend war die Vermutung, dass Opposition sich zusehends radikalisiert, je weniger Raum (d.h. Möglichkeit der Beteiligung) sie in den Institutionen erhält. Neben der empirischen Aufarbeitung griff das Projekt darüber hinaus auf republikanische und aversale Demokratietheorien zurück, um den normativen Stellenwert und potenzielle institutionelle Verankerungen von Opposition in nichtklassischen Herrschaftssystemen zu untersuchen.
Die empirischen Fallstudien zur Auseinandersetzung zwischen Afrikanischer Union und dem internationalen Strafgerichtshof (Dr. Theresa Reinold) und der Globalisierungskritischen Bewegung und Weltwirtschaftsinstitutionen (Nicole Deitelhoff) haben die grundlegende Vermutung zunächst bestätigt. In beiden Fällen ließ sich beobachten, dass die oppositionellen Akteure ihre Kritik radikalisierten (sowohl in Zielen als auch in ihren Handlungen), je weniger Raum sie für die Äußerung ihrer Anliegen erhielten. Zugleich haben die beiden Fallstudien aber auch deutlich gemacht, dass erheblich mehr und tiefere empirische Forschung notwendig ist, um die Plausibilität der Hypothese einzuschätzen. Zugleich ist deutlich geworden, dass die grundsätzliche Annahme, dass politische Opposition eine zunehmend größere Rolle im globalen Regieren hat, trägt. So sind im Bearbeitungszeitraum eine Reihe von Kooperationen mit anderen WissenschaftlerInnen entstanden, die zu verwandten Themen arbeiten, darunter am Wissenschaftszentrum Berlin (Prof. Michael Zürn) zur Politisierung internationaler Institutionen oder am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz (Prof. Donatella della Porta) zu Transnationalen Sozialen Bewegungen. Darum ist im Anschluss an das Projekt ein größerer Forschungsverbund entwickelt worden, der den Zusammenhang zwischen Herrschaft und Widerstand über mehrere Teilprojekte hinweg vergleichend untersucht (vgl. Punkt 5.). Inzwischen ist das Projekt in einem größeren Forschungsverbund zu Internationaler Dissidenz aufgegangen, das den Zusammenhang von Herrschaft und Widerstand in transnationalen Räumen über mehrere Teilprojekte hinweg vergleichend untersucht (siehe dazu www.dissidenz.net). Darüber hinaus wurde eine ständige Vortragsreihe im Cluster entwickelt („Protest – Widerstand – Aufstand. Streit um politische Ordnungen“), in der seit Sommersemester 2012 Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Disziplinen und mit unterschiedlichen Perspektiven auf Herrschaft und Widerstand blicken.

Neben den empirischen Arbeiten bildete die konzeptionell-theoretische Erarbeitung von Funktion und Rolle politischer Opposition den Schwerpunkt der Projektarbeit. Klassische Demokratietheorien haben nur ein sehr limitiertes Verständnis von Opposition, indem sie ihr entweder eine herrschaftskontrollierende Funktion zubilligen oder aber sie als Ideengeber für die öffentliche Beratung betrachten. Beides tendiert aber dazu, institutionell ungebundene und radikalere Formen von Opposition auszuschließen. Das Projekt versucht, dagegen konflikttheoretische Lesarten von Demokratie in Stellung zu bringen, die Opposition als normativen Kern von Demokratie auszeichnen und daraus  eine Kritik an den gegenwärtigen Demokratisierungsbemühungen internationaler Institutionen entwickeln.  Dr. Thorsten Thiel hat hier zentrale Arbeiten zur Entwicklung eines Republikanismus des Dissens vorgelegt und Nicole Deitelhoff und Thorsten Thiel haben Publikationen zu konflikttheoretischen Ausrichtungen postnationaler Demokratie erarbeitet. Dabei ging es ihnen besonders darum, Kritik als normativen Kern demokratischer Systeme herauszuarbeiten.

Zu den wichtigsten Publikationen im Projektzusammenhang zählen: 
Deitelhoff, Nicole (2012): „Leere Versprechungen? Deliberation und Opposition im Kontext transnationaler Legitimitätspolitik“, in: Anna Geis/Frank Nullmeier/Christopher Daase: Der Aufstieg der Legitimitätspolitik, LeviathanSonderband 27, 63-82. 
Deitelhoff, Nicole (2010): „Parallele Universen oder Verschmelzung der Horizonte“, in: Zeitschrift für internationale Beziehungen 17(2), 279-292.
Thiel, Thorsten (2012): Republikanismus und die Europäische Union. Eine Neubestimmung des Diskurses um die Legitimität europäischen Regierens, Baden-Baden: Nomos-Verlag.

Aktuelles aus dem Forschungszentrum

News
30.06.2025

Artikel „Ideology and Suffering: What Is Realistic about Critical Theory?“ von Amadeus Ulrich im EJPT erschienen

Der Artikel „Ideology and Suffering: What Is Realistic about Critical Theory?“ von Amadeus Ulrich ist soeben Open Access im European Journal of Political Theory (EJPT) erschienen. Ulrich bringt darin die Perspektive des radikalen Realismus mit der kritischen Theorie Adornos in einen produktiven Dialog.

weitere Infos ›
News
30.06.2025

Prof. Dr. Franziska Fay mit dem Sibylle Kalkhof-Rose-Universitätspreis 2025 ausgezeichnet

Prof. Dr. Franziska Fay (Juniorprofessorin für Ethnologie mit dem Schwerpunkt Politische Anthropologie Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und ehemalige Postdoktorandin des Forschungszentrums Normative Ordnungen der Goethe-Universität) erhält den Sibylle Kalkhof-Rose-Universitätspreis 2025 in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften.

weitere Infos ›
Publikation
25.06.2025 | Onlineartikel

Ideology and Suffering: What Is Realistic about Critical Theory?

Ulrich, Amadeus (2025): Ideology and suffering: What is realistic about critical theory? European Journal of Political Theory, 0(0).  https://doi.org/10.1177/14748851251351782

weitere Infos ›
News
24.06.2025

Neue Reihe „Vertrauensfragen“ in der Frankfurter Rundschau initiiert von Hendrik Simon

Demokratie lebt vom Streit – wenn er der gemeinsamen Suche nach Lösungen dient. An diesem Miteinander hakt es oft. Die neue FR-Reihe „Vertrauensfragen“ untersucht, initiiert von Hendrik Simon (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) Standort Frankfurt am Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität), woran das liegt und wie wir es besser machen.

weitere Infos ›
Publikation
23.06.2025 | Working Paper

Untrustworthy Authorities and Complicit Bankers: Unraveling Monetary Distrust in Argentina

Moreno, Guadalupe (2025): “Untrustworthy Authorities and Complicit Bankers: Unraveling Monetary Distrust in Argentina”. Max Planck Institute for the Study of Societies Discussion Paper 25/3.

weitere Infos ›
News
22.05.2025

Hat die deliberative Demokratie im Zeitalter von Oligarchen, Autokraten und Patriarchen eine Zukunft?

Am 3. Juni hält Prof. Simone Chambers einen Vortrag zum Wert von Demokratien und der Zukunft der Staatsform.

weitere Infos ›
Publikation
19.05.2025 | Sammelband

Klimaethik. Ein Reader

Sparenborg, Lukas; Moellendorf, Darrel (Hrsg.) (2025) : Klimaethik. Ein Reader. Suhrkamp.

weitere Infos ›
News
19.05.2025

Was kann eine barocke Tapisserie über koloniale Ikonographie erzählen?

Vortrag von Cécile Fromone am 21. Mai. Die Professorin am Department of the History of Art and Architecture der Harvard University sowie Direktorin der Cooper Gallery am Hutchins Center und Autorin wird über lange vergessene afrikanische Ursprünge der Ikonographie und deren koloniale Dimension referieren.

weitere Infos ›
News
05.05.2025

Normative Orders Newsletter 01/25 erschienen

Der Newsletter aus dem Forschungszentrum Normative Ordnungen versammelt mehrmals im Jahr Informationen über aktuelle Veranstaltungen, Berichte, Neuigkeiten und Veröffentlichungen. Lesen Sie hier die erste Ausgabe 2025.

weitere Infos ›