Die Wissenschaftsfreiheit ist nicht nur in den USA gefährdet. Die Standards müssen in einer internationalen Anstrengung verteidigt werden.
Von Christopher Daase und Nicole Deitelhoff
Es war abzusehen, dass die Trump-Administration auch die Wissenschaft ins Visier nehmen würde. Schon 2021 hatte der heutige Vizepräsident J. D. Vance erklärt, die Universitäten seien “der Feind”. Man müsse sie “aggressiv bekämpfen”, um die Vorherrschaft liberalen Denkens zu brechen. Wie schnell nach der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus sich eine wissenschaftsfeindliche Stimmung im Land ausbreiten, wie massiv politischer Druck auf die Universitäten ausgeübt und wie drastisch die Wissenschaftsfreiheit beschnitten werden würde, hat viele überrascht, am meisten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Universitäten selbst.
Die Wissenschaft ist jedoch nur eine der Arenen des antiliberalen Rollbacks, und obgleich die Vereinigten Staaten das Epizentrum dieser Entwicklung sind, handelt es sich um einen größeren Trend, bei dem die Quellen politischer Ordnung und epistemischer Autorität innerhalb der westlichen Welt angefochten werden. Das liberale Narrativ, das auf den Prinzipien individueller Freiheit, gesellschaftlichen Fortschritts und wissenschaftlicher Rationalität basiert, wird grundsätzlich infrage gestellt, während alternative Erzählungen an Bedeutung gewinnen.
Egal ob wir sie nationalistisch, nativistisch oder populistisch-autoritär nennen: Sie zielen darauf ab, demokratische Institutionen zu schwächen, liberale Bürgerrechte einzuschränken und internationale Zusammenarbeit zu begrenzen. Diese Entwicklung erfasst alle Bereiche politischer Ordnung, einschließlich Wissenschaft und Forschung. Der Kampf um akademische Freiheit und die Autonomie der Wissenschaft ist deshalb auch ein Kampf um die Demokratie.
Die aktuelle Welle der Anfechtung liberaler Ordnungen lässt sich bis in die späten Neunzigerjahre zurückverfolgen, als die Euphorie über das Ende des Kalten Krieges angesichts unerfüllter Versprechen liberaler und neoliberaler Politik verpuffte. Auf internationaler Ebene erwiesen sich viele liberale Projekte als regelrechte Katastrophen: Die militärischen Interventionen, die Menschenrechte schützen und Demokratie stärken sollten, verursachten häufig mehr Leid und Zerstörung als die ursprünglichen Konflikte. In anderen Fällen sahen internationale Organisationen – allen voran die Vereinten Nationen – tatenlos zu, wie sich Massaker und Völkermorde ereigneten. Auch die wirtschaftspolitischen Versprechen der Globalisierung erfüllten sich für viele Staaten nicht. Während die Volkswirtschaften westlicher Staaten von direkten internationalen Eingriffen weitgehend verschont blieben, erschütterte die neoliberale Entfesselung internationaler Finanz- und Wirtschaftsströme soziale Sicherungssysteme und Arbeitskulturen in vielen Staaten insbesondere des Globalen Südens.
Diese Entwicklungen verschärften sich in den späten Nullerjahren mit dem Einsetzen einer ganzen Reihe globaler Krisen – von der Finanzkrise über die Corona-Krise bis hin zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der die europäische Sicherheitsordnung zerstörte. Die vielen Gewaltkonflikte in seiner Folge, allen voran der Krieg in Gaza, zeigen, wie tief das Misstrauen der Staaten inzwischen ist und wie wenig sie noch auf internationale Regelwerke und Organisationen vertrauen.
Diese Krisen schwächen nicht nur die internationale Ordnung, sondern auch die nationalen Ordnungen. Sie verdeutlichen, wie brüchig die internationale Solidarität zwischen den Staaten ist, und erschüttern das Vertrauen vieler Menschen in die Fähigkeit des Staates, sie vor den schlimmsten Katastrophen zu schützen. Die damit einhergehende existenzielle Verunsicherung begünstigt alternative Ordnungsangebote, die schnelle Abhilfe versprechen und die Ursache der Krisen im Fremden verorten – von Einwanderern und Flüchtlingen bis zu ausländischen Mächten und globalen Verschwörungen.
In fast allen liberalen Demokratien gewinnen diese Ideen an Boden. Von Ungarn und Italien über Frankreich und Deutschland bis hin zu Schweden, dem Vereinigten Königreich, Brasilien, Indien und den USA haben rechtspopulistische Bewegungen und autoritäre Parteien an Unterstützung gewonnen. Sie sind in Parlamente eingezogen und haben in einigen Fällen sogar Regierungen gebildet. Mit ihrem Aufstieg nehmen die Angriffe auf die Grundlagen der liberalen Demokratie rapide zu, die als Elitenprojekt denunziert wird, das keinem anderen Zweck dient, als das Volk auszubeuten. Populistische Parteien wenden sich gegen Gewaltenteilung und repräsentative Regierung, da diese angeblich den wahren Willen des Volkes verzerren. Sie polemisieren gegen Minderheitenrechte, die die Mehrheit diskriminieren würden, und verneinen die Unabhängigkeit sozialer Sphären wie Recht, Kunst und Kultur, die als Horte liberaler Macht gelten.
In diesem Kontext sind Angriffe auf Wissenschaft und Forschung folgerichtig, da auch sie als Herrschaftsinstrumente einer korrupten Elite betrachtet werden, die den moralischen und politischen Verfall eines imaginären, kulturell und ethnisch reinen Abendlandes betreibt.
Die Eingriffe der Trump-Regierung in das Wissenschaftssystem der USA sind massiv. Gleich zu Beginn der zweiten Amtszeit wurden wichtige, vom Kongress eingerichtete Forschungsinstitutionen wie das U.S. Institute for Peace und das Woodrow Wilson Center für “überflüssig” erklärt und faktisch stillgelegt. Forschungseinrichtungen in Medizin, Umwelt- und Klimaschutz wurden geschlossen oder verkleinert. Durch den Entzug von Forschungsmitteln wurden Universitäten wie die Columbia oder jüngst die Cornell University zu politischen und organisatorischen Reformen gezwungen, die der Regierung Zugriff auf Informationen über Studierende und Einfluss auf Einstellungsprozesse und Lehrinhalte gewähren.
Zuletzt erließ die Regierung ein Dekret zu einem neuen “Goldstandard für die Wissenschaft”, das festlegt, dass alle staatlich geförderten Forschungsprojekte durch einen politischen Beamten daraufhin geprüft werden müssen, ob sie den politischen Zielen des Präsidenten entsprechen und keine “antiamerikanischen” Werte vertreten.
Interessant ist, dass es bislang keinen kollektiven Widerstand gegen diese Maßnahmen gibt. Als die Regierung die Columbia University ins Visier nahm, duckten sich die anderen Universitäten weg und hofften, dem Zorn des Präsidenten zu entgehen. Das liegt unter anderem an einem stark ökonomisierten Wissenschaftssystem, in dem der Sinn für gemeinsame wissenschaftliche Werte hinter wirtschaftlichen Interessen und dem Wettbewerb mit anderen Universitäten zurücktritt. So war es für die Trump-Administration ein Leichtes, die Universitäten gegeneinander auszuspielen und die Wissenschaftsfreiheit Schritt für Schritt einzuschränken.
Dem gleichen Ziel dient auch der jüngste Vorschlag für einen “Compact”, der ausgewählten Universitäten hohe Fördersummen und andere Vorteile verspricht, sofern sie strikte Gender-Vorstellungen beachten, die Zahl ausländischer Studierender begrenzen und jegliche Kritik oder Herabsetzung konservativer Ideen verhindern. Während die University of Texas bereits ihr Interesse bekundet hat, lehnen andere Universitäten wie das MIT und die Brown University aus Sorge um ihre akademische Freiheit ab.
Dennoch gibt es keinen Grund, mitleidig auf die USA zu schauen. Ähnliches geschieht auch in Europa, wo die ungarische Regierung die Central European University aus dem Land gedrängt hat, die akademische Freiheit einschränkt und versucht, ihre politische Kontrolle auszuweiten. Auch andere Regierungen in Europa verlangen zunehmend politische Loyalität von der Wissenschaft und diskutieren mehr oder weniger offen die Streichung von Forschungsgeldern im Fall politisch unliebsamen Verhaltens. Dass das Bundesforschungsministerium 2024 Dossiers über israelkritische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anlegte und die Streichung ihrer Projektmittel erwog, ist zu Recht skandalisiert worden. Schwieriger zu kritisieren ist die Umschichtung von Fördermitteln in die anwendungsorientierte Forschung. Diese überfordert vor allem kleine Fächer und drängt die Grundlagenforschung zurück, die ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen nur schwer nachweisen kann.
In Zeiten sinkender Grundfinanzierung der Universitäten gewinnen politisch kontrollierte Forschungsgelder generell an Bedeutung. In Deutschland hat das Forschungsministerium beispielsweise die Aufgabe, politische Schwerpunkte in Wissenschaft und Forschung festzulegen und zusätzlich zur traditionellen, unabhängigen öffentlichen Forschungsförderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zu fördern. Wenn die Mittel des Ministeriums für wissenschaftliche Einrichtungen und einzelne Forschende wichtiger werden, steigt die Gefahr, dass die akademische Freiheit eingeschränkt wird – sei es durch Selbstzensur oder durch den Druck, sich auf spezifische Forschungsfragen einzulassen. Das Verhältnis zwischen unabhängiger und politischer Forschungsförderung ist daher wahrscheinlich ein guter Gradmesser für akademische Freiheit einerseits und politische Krisenhaftigkeit andererseits.
Obwohl es einen breiten Konsens darüber gibt, dass die akademische Freiheit ein Grundelement einer freiheitlichen Gesellschaft ist, gewinnt die Idee stärkerer Kontrolle über Wissenschaft und Forschung auch in Europa an Boden. Das zeigt sich etwa an der steigenden Zahl parlamentarischer Anfragen der AfD zu spezifischen Forschungsthemen, ganzen Wissenschaftsbereichen und einzelnen Forschungsinstituten. Diese Anfragen spiegeln das tiefe Misstrauen der Partei gegenüber der Wissenschaft im Allgemeinen und ihre Feindseligkeit gegenüber bestimmten Forschungszweigen, die mit ihrer Ideologie in Konflikt stehen. Einige Universitäten und Forschungseinrichtungen bereiten sich bereits auf eine Zukunft vor, in der eine von der AfD kontrollierte Regierung versuchen könnte, die akademische Freiheit oder den Zugang zu Forschungsgeldern einzuschränken.
Im Gegensatz zu den USA scheint die Autonomie von Wissenschaft und Forschung in Deutschland zwar vorerst robust zu sein. Dennoch hat die Entwicklung in den USA Auswirkungen auf Wissenschaft und Forschung in Europa. Werden aus politischen Gründen ganze Forschungszweige der medizinischen Forschung eingestellt, die Datenerhebung zu Umweltschäden und Klimaveränderungen beendet und vorhandene Daten zur öffentlichen Gesundheit verfälscht oder zerstört, hat das nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Gesellschaft schwerwiegende Folgen. Das gilt auch für andere Bereiche wie die angestrebte Neuinterpretation der nationalen und internationalen Geschichte in den USA durch gezielte Eingriffe in Lehrpläne, Kulturförderung und Museumsarbeit.
Wissenschaft und Forschung können die Angriffe auf die liberale Ordnung weder aufhalten noch umkehren. Sie können jedoch dazu beitragen, die akademische Freiheit zu bewahren und somit einen wichtigen Pfeiler der Demokratie zu stützen. Dazu müssen sie zunächst Fehlentwicklungen in der Wissenschaft selbst entgegentreten, die das Vertrauen in die Wissenschaft sinken lassen. Trotz aller Fortschritte bei der Entwicklung von Exzellenzindikatoren wird die Qualität von Wissenschaftlern nach wie vor anhand der Anzahl ihrer Veröffentlichungen, Zitationen und Drittmittelsummen gemessen. Dies hat zu einer starken Zunahme zweifelhafter Publikationsorgane, irrelevanter Artikel und von Skandalen um gefälschte Daten geführt.
Ein weiteres Problem ist die öffentliche Vermarktung von Wissenschaft. Die Allgegenwart der immergleichen Wissenschaftler in den Medien mag selbst ein Symptom der Krise sein, insofern man sich Sicherheit durch Expertise verspricht. Das Problem dabei ist, dass Wissenschaftler durch die stetige Kommentierung politischer Debatten zunehmend selbst als politische Akteure wahrgenommen werden. Zwar kann Wissenschaft bei der Einordnung politischer Sachverhalte helfen, sie braucht jedoch auch Distanz, die ihr die krisenorientierte Medien- und Politiklandschaft kaum mehr gewährt.
Auch bei der Jagd nach Fördermitteln ist Distanz gefragt. Regierungen müssen in der Lage sein, politisch gewollte Themen und Forschungsbereiche zu priorisieren und entsprechend finanziell zu fördern. Je größer jedoch der Problemdruck einer Krise ist – wie derzeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung oder zuvor in der Extremismusprävention und in der Batterieforschung -, desto eher sind Regierungen geneigt, die Bewertungsstandards für Forschungszuschüsse zu lockern und teils erhebliche Summen auch ohne verlässlichen wissenschaftlichen Bewertungsprozess zu gewähren. Das ist ein Rezept für schlechte Wissenschaft und schlechte Politik. Bislang wird das allerdings nur von denen kritisiert, die in diesem Prozess leer ausgehen. Wichtig wäre es, wenn die Wissenschaftsgemeinschaft diese Praxis insgesamt ablehnen und angemessene Begutachtung einfordern würde.
Genau wie Demokratie kann auch akademische Freiheit nicht mehr nur im eigenen Land verteidigt werden, sondern muss zu einer internationalen Anstrengung werden. Denn die Angriffe auf die Wissenschaft werden zunehmend transnational koordiniert. Es reicht nicht aus, akademische Standards in einem Land zu verteidigen, während die Politisierung der Wissenschaft in einem anderen Land voranschreitet. Akademische Standards sind keine nationalen, sondern internationale, ja universelle Standards, die nur gemeinsam aufrechterhalten werden können.
Ein Beispiel ist das Peer-Review-Verfahren, das sich gerade international durchzusetzen begann, nun aber in den USA unter politischen Vorbehalt gestellt wird. Damit halten politische Erwägungen offiziell Einzug in die Beurteilung wissenschaftlicher Qualität. Bei Veröffentlichungen in amerikanischen Fachzeitschriften muss inzwischen damit gerechnet werden, dass Redaktionen “Rücksicht” auf die politische Agenda des US-Präsidenten nehmen oder sogar einfordern. Um dieser Gängelung und dem Problem der Selbstzensur entgegenzutreten, bräuchte es mehr nichtamerikanische A-Journals, also ein professionelleres akademisches Publikationswesen. Europa sollte nicht nur bei Fragen der digitalen Infrastruktur, sondern auch beim wissenschaftlichen Publizieren souverän werden.
Das schließt Zusammenarbeit nicht aus – im Gegenteil. In der gegenwärtigen Situation kann die transatlantische Wissenschaftskooperation dazu beitragen, dass Daten geschützt und Wissensbestände gesichert werden, die für wissenschaftlichen Fortschritt und Innovation unabdingbar sind. Gastforschungsprogramme können Raum für unabhängige Forschung und kritisches Denken schaffen, wenn Forschungsfelder beschnitten und Ansätze tabuisiert werden. All das wird aber nicht hinreichen, wenn es nicht gelingt, Menschen wieder für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu gewinnen. Dafür braucht es nicht nur Daten, sondern vor allem Köpfe. Gerade in Zeiten, in denen Austausch und Begegnung zurückgefahren werden, müssen diese wieder gestärkt werden: Austauschprogramme für Studierende sollten jetzt intensiviert werden. Junge Menschen in die Welt des kritischen Denkens, der freien Wissenschaft und der unabhängigen Forschung zu sozialisieren, ist vermutlich der beste Weg, um die Integrität des internationalen Wissenschaftssystems und damit auch die liberale Demokratie zu stärken.
Christopher Daase ist Direktoriumsmitglied des Peace Research Institute Frankfurt (des früheren Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung) und Professor für Internationale Beziehungen.
Nicole Deitelhoff ist Leiterin des PRIF, Professorin für Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Ko-Sprecherin des Forschungszentrums “Normative Ordnungen”.